79 Verträge auf mehr als 1000 km² Fläche im Osnabrücker Land / keine auskömmliche Refinanzierung
LANDKREIS OSNABRÜCK. Die AWO Trialog Weser-Ems GmbH passt ihr Angebot der „Psychosozialen Assistenz" an und konzentriert sich künftig verstärkt auf die Ballungsräume in der Region. Indes werden aktuell im nördlichen Landkreis Osnabrück auf mehr als 1000 Quadratkilometern Fläche noch 79 Personen stundenweise beraten. Da das Angebot nicht auskömmlich refinanziert werden kann, laufen diese Verträge im Herbst aus.
Wir erklären alle wichtigen Aspekte zum Thema im folgenden FAQ.
Was ist eine Psychosoziale Assistenz und wo kommt sie zum Zuge?
Dem Konzept der „Psychosozialen Assistenz" liegt die vorwiegend mobile, also aufsuchende Begegnung auf Augenhöhe zwischen Klient*innen, Angehörigen und Mitarbeitenden zugrunde und ist aus dem Ambulant Betreuten Wohnen hervorgegangen. Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen soll in ihrem Sozialraum eine sozialpsychiatrische Unterstützung angeboten werden, die sie befähigt, entsprechend des 2017 verabschiedeten Bundesteilhabegesetzes (BTHG) Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und eben Teilhabe erleben zu können. Hierbei handelt es sich überwiegend um eine stundenweise beratende Tätigkeit, nicht um eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung. Entwicklungs- und Erhaltungsziele können beispielsweise die Vernetzung und Anbindung an den Sozialraum, die Aufnahme einer beruflichen Qualifizierung, die Fähigkeit zum Zusammenleben mit anderen Menschen oder auch ganz grundsätzlich Mobilität und Orientierung sein. Das tatsächliche Unterstützungs-Spektrum und damit die Assistenzleistungen sind aufgrund der jeweils individuellen Bedarfe umfangreich und schließen aufgrund gesetzlicher Vorgaben erhebliche Verwaltungsaufgaben ein. Diese individuelle personenzentrierte Unterstützung kann in der jeweiligen Kommune bei der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatungsstelle (EUTB) oder direkt bei den zuständigen Leistungsträgern wie Rentenversicherungsträger, Jobcenter etc. beantragt werden. Hier werden Kosten in bestimmtem Rahmen – und nur tatsächliche Fachleistungen – übernommen. Dazu folgend mehr.
Im Landkreis Osnabrück wird ab dem kommenden Herbst das Angebot zur Psychosozialen Assistenz nicht mehr fortgeführt – wie erklärt sich dieser Schritt?
Während die Angebote der Psychosozialen Assistenz in den Städten Osnabrück, Oldenburg und Delmenhorst sowie in den Landkreisen Ammerland und Oldenburg erhalten bleiben, zwingen gleich mehrere Faktoren zu einer Anpassung des Portfolios im Landkreis Osnabrück: Aktuell werden von der AWO Trialog Weser-Ems GmbH insgesamt 79 Menschen zwischen 21 und 70 Jahren auf mehr als 1000 Quadratkilometern Fläche aufsuchend mit Assistenzleistungen versorgt – also in ihrem jeweiligen individuellen Lebensumfeld betreut. Erhebliche Wegstrecken und damit „Leerlaufzeiten" im dienstlichen Alltag sorgen bei nicht auskömmlicher Refinanzierung für deutliche Einschränkungen. Gleichermaßen sind zentrale AWO Eingliederungshilfeleistungen im Landkreis wie beispielsweise die besonderen Wohnformen Schölerberg, Sutthausen oder auch Schlichthorst voll belegt und als stationäres Unterstützungsangebot dringend erforderlich.
Was sind die Kostentreiber?
Die Wegstrecken pro Klient*in stellen in der Fläche des Landkreises Osnabrück einen deutlichen Standortnachteil und damit das Hauptproblem dar. Neben dem temporären und damit personellen Aspekt – die Beschäftigung zusätzlicher Mitarbeitenden zur Abdeckung solcher Ausfallzeiten ist wirtschaftlich für einen Wohlfahrtsverband nicht darstellbar – gibt es auch den konkret finanziellen: Denn die Refinanzierung solcher Strecken (im Monat vier- bis fünfstellige Kilometerzahl) ist nach der Vergütungsvereinbarung und somit den aktualisierten Wegepauschalen nicht gesichert. Apropos Refinanzierung: Auch nicht seltene kurzfristige Ausfallzeiten der Klient*innen selbst werden lediglich zu einem Bruchteil von den Leistungsträgern bezahlt. Ein Beispiel: Auch wenn beispielsweise vier Stunden zur Betreuung angesetzt und Wege bereits aufgenommen waren, sind gerade einmal 50 Minuten abrechenbar. Da Planungen in der psychosozialen Assistenz eine große Bedeutung haben, können spontane Ausfallzeiten nicht für andere Klient*innen eingesetzt werden.
Was unterscheidet den Landkreis Osnabrück beispielsweise vom Ammerland und Oldenburg – sprich: Weshalb werden gleiche Leistungen in anderen Regionen erhalten?
Unter den gegebenen Rahmenbedingungen und aufgrund der vereinheitlichten landesweiten Leistungsvereinbarung ist das Angebot der Psychosozialen Assistenz im Landkreis Osnabrück nicht kostendeckend. Hingegen können in Ballungsräumen wie Oldenburg, Osnabrück und Delmenhorst die AWO Angebote konzentrierter und damit ohne übermäßige Wegezeiten betrieben werden. Hier war und ist eine weitgehende Kostendeckung möglich. Die Notwendigkeit einer psychosozialen Assistenz und damit aufsuchender Unterstützung für Menschen mit seelischer Behinderung/psychischer Erkrankung steht für die AWO Weser-Ems außer Frage.
Was bedeutet diese Anpassung für Klient*innen?
Die 79 Personen mit Unterstützung und auch die Kostenträger wurden und werden jetzt über die notwendige Maßnahme in Kenntnis gesetzt. Die AWO Trialog Weser-Ems GmbH wird nun gemeinsam mit ihnen alternative stundenweise Unterstützungsangebote ab Herbst 2024 erarbeiten.
Wie geht es für die Mitarbeitenden in der Psychosozialen Assistenz weiter?
Für alle Mitarbeitenden der Organisationseinheit – hierbei handelt es sich um rund sieben Vollzeitstellen – besteht die Möglichkeit zur Fortbeschäftigung in den umliegenden Einrichtungen der AWO Trialog Weser-Ems GmbH, insbesondere in der Psychosozialen Assistenz für die Stadt Osnabrück und in der Wohnanlage Günter-Storck Schlichthorst. Leitung und Verwaltung verbleiben am Standort Stadt Osnabrück.
Der AWO Bezirksverband Weser-Ems ...
... bietet mit seinen weit über 4100 Mitarbeitenden zwischen Nordsee und Osnabrücker Land soziale Dienstleistungen in über 80 Einrichtungen rund um Pflege, Kinderbetreuung, psychosoziale Teilhabe und Beratung an. Als politischer Verband vertritt dieser die Interessen der Menschen in der Region und setzt sich für eine demokratische und gerechte Gesellschaft ein.
Die Arbeiterwohlfahrt ...
...gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege. Bundesweit wirken in ihr über 300.000 Mitglieder, mehr als 72.000 ehrenamtlich Engagierte und 242.000 hauptamtliche Mitarbeiter*innen, um in unserer Gesellschaft bei der Bewältigung sozialer Probleme und Aufgaben mitzuwirken und den demokratischen, sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen.