Viele neue Gesichter in AWO Einrichtung Nordenham / Azubis aus dem Ausland mit gutem Draht zu Bewohner*innen / Recruiting-Projekt trägt Früchte
Altenwohnzentrum – das klingt irgendwie so gar nicht nach Spaß für junge Menschen und erst recht nicht nach einem „Place to be". Für fünf junge Auszubildende in der AWO Einrichtung Nordenham ist aber genau dies der perfekte Ort, um in der Pflege Fuß zu fassen und gleichsam als WG durchzustarten. „Ein tolles Alleinstellungsmerkmal, das uns als Einrichtung, aber auch persönlich weiterbringt", sagt deren Leiter Stefan Seidl.
Seidl (32) selbst ist erst seit Anfang November der Chef im Haus. Richtig neu ist er hier aber nicht, das belegt bereits die ein oder andere Umarmung, mit der er an seinem ersten Arbeitstag bei der AWO am Carl-Zeiss-Weg begrüßt wurde. Der gebürtige Ruhrpottler – mit reichlich Erfahrung in Pflege, Prozessen und Projekten verschiedener Träger ausgestattet – ist bereits seit dem 17. Lebensjahr im Norden daheim, seit elf Jahren echter Nordenhamer. Dass er nun die Großstadt Bremen zugunsten der Wesermarsch verlässt, hängt auch eng mit den hiesigen Voraussetzungen zusammen. „Die Projektarbeit beispielsweise mit unseren Auszubildenden ist besonders, die Diversität und das tolle Miteinander", sagt Seidl, „hier herrscht eine wunderbare Kultur, alle sind zufrieden und die Mitarbeitenden langfristig im Haus – so etwas macht auf Außenstehende schon Eindruck".
Voller Motivation in die Pflege
Zugegeben: Bis ins ferne Ausland hat sich die Arbeitsatmosphäre im Altenwohnzentrum Nordenham zwar noch nicht herumgesprochen – etwaige berufliche Möglichkeiten zur Weiterentwicklung im fernen Deutschland aber schon, insbesondere in der Pflege. Ganz so, wie es bei Manal El Houdaigui, Maryam Azda, Kaoutar Karouite (alle Marokko), Arnold Franck Fokam Waffo (Kamerun) und Anita Puspita Sari (Indonesien) der Fall war. Seit einigen Monaten lernen sie hier in Nordenham den Beruf der Altenpflege von der Pike auf, gelten schon jetzt als bestens integriert und – mindestens ebenso bedeutend – als sehr beliebt bei Belegschaft wie Bewohnerschaft. „Sie sind alle ohne Familie hergekommen, Tausende Kilometer – und wollten unbedingt hier arbeiten", sagen Rosanna Hamijou (Koordinierende Praxisanleiterin) und Jeannette Miegel (Pflegedienstleiterin) quasi unisono. „Dabei kommen sie aus einer anderen Kultur. Arnold hat eine andere Hautfarbe, Maryam trägt ein Kopftuch – da haben wir uns schon gefragt, wie das wohl bei den Bewohnerinnen und Bewohnern ankommen mag", so Hamijou, „aber ich muss sagen: Es ist so schön zu sehen, wie sie hier angenommen werden und schon jetzt ganz klar dazugehören – wie in einer großen Familie, ganz ohne Berührungsängste".
Mehr Stellen als Bewerbungen
„Uns stellte sich die Frage, ob und wie wir unsere Plätze noch besetzen können", sagt Lars Bonk, bei der AWO Wohnen & Pflegen Weser-Ems Referent Leitung und Verwaltung. „Denn wir haben deutlich mehr Stellen als Bewerberinnen und Bewerber – und sind daher auch auf Kräfte aus dem Ausland angewiesen. Während bei fertigen Fachkräften stets der langwierige Anerkennungsprozess lähmt, wissen wir bei potenziellen Auszubildenden hingegen um die Qualität und punktgenaue Ausgestaltung unserer Ausbildung, aber auch die enorme Motivation der Bewerbenden, es in Deutschland zu schaffen." Das zeige sich bereits in den hörbaren und auch nachgewiesenen soliden Sprachkenntnissen während der Online-Bewerbungsgespräche. „Die Anstellung dieser jungen Menschen mag uns nicht unbedingt kurzfristig weiterhelfen und angesichts unserer Herausforderungen wird dieses Projekt auch sicher nicht den Pflegenotstand in Deutschland lösen – nachhaltig ist es aber allemal."
Ein Modell, das auch an anderen Wohn- und Pflege-Standorten der AWO Weser-Ems Einzug halten könnte, sofern denn geeignete Rahmenbedingungen bestehen. In Nordenham konnte für die Azubis direkt an der Einrichtung Wohnraum geschaffen werden: Das Quintett hat sich hier längst als WG zusammengefunden, belegt gemeinschaftlich kostengünstig die Zimmer ehemaliger Altenwohnungen. „All unsere Auszubildenden erhalten den gleichen Lohn, die gleichen Bedingungen, die gleiche Unterstützung und Hilfe. Es gibt keinerlei Sonderstellung – das unterstützt das Miteinander natürlich in besonderem Maße", so Bonk.
Findet auch Seidl. „Diese Form des Recruitings und der Personalbindung ist ein Gewinn für alle Beteiligten", sagt er, „insbesondere vor dem Hintergrund, dass ja auch unsere Pflegebedürftigen immer multikultureller werden, öffnen wir uns weiter und schaffen so eine weithin wertvolle Atmosphäre". In solch einer positiven Umgebung lässt es sich dann nicht nur gut, sondern auch effizient arbeiten. „Alle Mitarbeitenden, von der Pflegehilfskraft bis zur Hauswirtschaftskraft sind offen für stete Optimierungen, dürfen Inhalte mitentwickeln – und machen das auch. Wir bewegen uns da frei und prozessorientiert zwischen den unumstößlichen sozial wertvollen Leitplanken der AWO."
Weitere Informationen unter www.altenwohnzentrum-nordenham.de
Ein aktuelles Kurzvideo (4:58 min) finden SIe auf dem Youtube-Kanal der AWO Weser-Ems unter https://youtu.be/trhMP4hqTrI. Hier kommen die Azubis selbst zu Wort und berichten von ihrem Arbeitsalltag.
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Kurzinterview mit Stefan Seidl, Leiter AWZ Nordenham
Erhalt, gemäßigte Neuerungen oder Umsturz – mit welchen Ambitionen sind Sie gestartet?
Seidl: Meine Vita ist trotz des vermeintlich jungen Alters schon recht facettenreich: Mit 16 Jahren bin ich meine ersten Schritte in der Pflege gegangen, seitdem hat sich in diesem Themenfeld – unter anderem aufgrund des Pflegenotstands und auch durch Corona – schon sehr viel verändert. Ich habe in der Folgezeit viele Strukturen auch anderer Träger erlebt und durchlebt, von allem mir hoffentlich das beste mitgenommen und kann so bei Bedarf auf nötige Veränderungen reagieren. Aber: Das Team vor Ort ist nicht nur herzlich, sondern auch sehr gut aufgestellt und in sich gewachsen. Das finde ich gut und wichtig so. Zudem gibt die AWO ja auch sehr gute Leitplanken vor, in denen man sich bewegen kann und auch darf.
Wie ist die Eingewöhnung gelaufen?
Seidl: Einige Mitarbeitende kannte ich noch aus meiner eigenen pflegerischen Zeit, so dass es bei der ersten Begehung schon Menschen gab, die mich gleich in den Arm genommen haben. Das war schon schön. Darüber hinaus hatte ich in der Vergangenheit schon einmal für sechs Monate in einer AWO Einrichtung gearbeitet und dort bereits die Diversität, Strukturen und das tolle Miteinander kennengelernt. Vor allem, dass die Mitarbeitenden sehr zufrieden und langfristig dabei sind, wirkt auf Außenstehende durchaus beeindruckend. Auch hier sind die Menschen offen für Verbesserungen und sehen selbst Optionen zu Prozessoptimierungen.
Was ist denn besonders am AWZ?
Seidl: Unser Recruiting-Projekt, in dem wir junge Leute mit bereits soliden Deutschkenntnissen aus dem Ausland ausbilden und ihnen Wohnraum zur Verfügung stellen, damit sie sich gleich ganz auf ihre Ausbildung konzentrieren können. So etwas kannte ich bislang nicht, finde ich aber sehr gut. Auch die gelebten Arbeitsgruppen und Pilotprojekte, die man aktiv mitgestalten kann, sind schon besonders.