Suche

„Müssen mehr darauf achten, Werte der AWO zu leben und zu vermitteln"


28. März 2024

Interview mit der neuen Präsidiumsvorsitzenden Ulla Groskurt / Gutes Miteinander von Haupt- und Ehrenamt

WESER-EMS. Bei der Bezirkskonferenz 2024 in Papenburg wurde sie einstimmig zur neuen Präsidiumsvorsitzenden gewählt – jetzt, knapp drei Wochen nach ihrem Amtsantritt, haben wir Ulla Groskurt (77) zum Gespräch gebeten und nach Plänen, Vorstellungen und ganz persönlichen Momenten gefragt.

Wie sieht sie die AWO Weser-Ems auf aktuelle politische und zwischenmenschliche Herausforderungen vorbereitet? Was hat sich seit ihrem Eintritt in die Arbeiterwohlfahrt vor rund dreißig Jahren verändert? Und wie will sie das Votum der Delegierten in Weser-Ems rechtfertigen? Wir haben die wichtigsten Aussagen Groskurts hier in Schriftform zusammengefasst. Ein Video mit dem gesamten Gespräch zur Verlinkung und Ergänzung ist auf unserem Youtube-Kanal hinterlegt. Der Link: https://youtu.be/guYN9YDfJWs 

Liebe Frau Groskurt, willkommen! Gleich vorweg: Wer sind Sie eigentlich?

Groskurt: Ich bin am Niederrhein geboren und auch aufgewachsen, habe eine Ausbildung zur Anwaltsgehilfin absolviert und bin dann mit einer Weiterbildung beim Öffentlichen Dienst in der Kammer für Kriegsdienstverweigerer gelandet. Da konnte ich mich gut mit identifizieren! Mit der Familie sind wir dann 1975 nach Niedersachsen gezogen, hier habe ich dann bei der Stadtverwaltung in Osnabrück gearbeitet, unter anderem die Aus- und Fortbildung der Mitarbeitenden im EDV-Bereich übernommen. In die AWO bin ich 1997 eingetreten – viel zu spät, meiner Meinung nach! Mein Vater war immer in der AWO, ich kann mich auch an Kinderfeste der AWO in Weeze erinnern – aber selbst eintreten? Nein, das hatte ich bis dahin irgendwie versäumt. Als ich dann für den Landtag kandidierte und die Ortsvereine besuchte, wurde ich darauf von einer Genossin angesprochen. ‚Bist du gar nicht in der AWO? Geht doch gar nicht!' – Ne, da hatte sie vollkommen recht. Geht auch gar nicht. Danach passte es dann endlich.

Sie sind ja spätberufen in diesem Fall. Was hat sich denn in ihrer ganz persönlichen Wahrnehmung der AWO in dieser Zeit verändert?

Groskurt: Ja, es ist wie vielerorts – erstmal ist die AWO ein Verband, wo man sich zuhause fühlen kann. Der alles versucht, die Menschen mitzunehmen. Was sich aber im Laufe der Jahre verändert hat, in dieser immer hektischer werdenden Zeit, ist die Arbeitsverdichtung. Ob nun bei Formularen, Vorschriften oder der Arbeit als solches: Die AWO muss sich immer mehr der Schnelligkeit anpassen und im Blick haben – es ist noch nichts passiert und die AWO passt auch auf, aber –, dass das Menschliche manchmal vielleicht nicht ganz so vorne steht, wie es eigentlich sollte.

Vor ziemlich genau zehn Jahren haben Sie im Kreisverband für die Region Osnabrück Verantwortung übernommen – als stellvertretende Vorsitzende des Vorstands. Jetzt sind Sie Vorsitzende des Präsidiums im großen Bezirksverband. Ganz spitz formuliert: Weshalb tun Sie sich das an?

Groskurt: Ich sehe es nicht so, dass ich mir das ‚antue'! Das ist so ein Weg – besser hätte ich ihn mir gar nicht aussuchen können! Es hat sich in meinem Leben immer eines an das nächste gefügt. Auch jetzt freue ich mich, dass ich das machen darf!

Aber die Herausforderungen sind ja immens – mit Corona hat sich die Lage deutlich verändert.

Groskurt: Ja, auf jeden Fall in den Bereichen, die die AWO abdeckt: Kindererziehung, also Kitas, Pflege – ein ganz besonders großer Bereich, auch Menschen mit Behinderungen. Da ist es auf jeden Fall sehr viel schwieriger geworden, weil die Bedürfnisse in der heutigen hektischen Welt gestiegen und die Mitarbeitenden dafür immer schwieriger zu finden sind. Also ja: Es ist schon eine Herausforderung. Aber genau deswegen sind wir ja da, all das anzupacken.

Dann ganz konkret: Welche AWO Erfolge verbinde ich in vier Jahren, also bei der nächsten Bezirkskonferenz, mit dem Namen Groskurt? Wo wollen Sie ganz persönlich bewegen und vorantreiben?

Groskurt: Dass wir den Menschen, die die AWO brauchen, ein sicheres und verlässliches Angebot vorhalten – und genau das wirklich nie nie nie aus den Augen verlieren. Dass wir dies auch politisch sehr vehement vertreten und nicht einfach als AWO immer nur ‚nett' sind.

Sie kommen ja aus der Fläche, dem Ehrenamt der Arbeiterwohlfahrt. Hauptamt und Verwaltung sind Ihnen aber nicht minder bekannt – beispielsweise über den steten Austausch mit dem Vorstand. Weshalb ist die Zusammenarbeit für beide Seiten, also Haupt- und Ehrenamt, so bedeutsam?

Groskurt: Also zunächst: Das Hauptamt steht über allem, es macht die ganze Administration, die ganze Verwaltung, stellt Mitarbeitende ein und so weiter. Die ganze Arbeit vom Menschen bis zum Hausbau ist Sache der Verwaltung, des Vorstandes. Aber ich denke, dass das Präsidium den Vorstand etwas entlasten kann – dadurch, dass man die Einrichtungen besucht, dass man politisch die Netze nutzt, die man geknüpft hat, um ans Ziel zu kommen. Seitdem wir das Präsidialmodell haben, ist der Vorstand hauptamtlich und das Präsidium ehrenamtlich. Das ist eine gute Kombination, die da entstanden ist – und ein gutes Miteinander.

Ganz ehrlich: Machen Ihnen die aktuellen Zeiten Angst?

Groskurt: Angst? Bedingt. Sie beunruhigen mich, ja. Wir müssen mehr und ernsthafter darauf achten, dass wir die Werte der AWO leben und vermitteln. Das ist aus meiner Wahrnehmung und in der Zeit, in der ich für die AWO aktiv bin, nie wichtiger gewesen als gerade heute. Da müssen wir richtig gut aufpassen. Und dann denke ich, nach wie vor: Ja, das müssen wir schaffen und das schaffen wir.

Haben Sie da schon Pläne für die obligatorischen ersten 100 Tage im Amt?

Groskurt: Ich gehöre nicht zu den Leuten, die nach ihrer Wahl alles umschmeißen wollen. Ich finde, die AWO ist sehr gut aufgestellt im Bezirk. Ich möchte den Weg so fortführen und gehen, wie wir ihn uns hier vorgestellt haben. Und dann? Die Welt verändert sich, die Ansprüche ändern sich, die Wünsche verändern sich. Und wenn es dann gegebenenfalls einen direkteren Weg zu irgendeinem Ziel geben sollte, dann würde ich den gehen wollen.

Vita Ulla Groskurt

Ulla Groskurt, 77, verheiratet, zwei Kinder, zwei Schwiegerkinder, drei Enkel. Geboren in Weeze/Niederrhein, Verwaltungsangestellte bis 2001, Mitglied im Niedersächsischen Landtag 2001 – 2013, hier: Ausschuss für Soziales, Frauen, Familien, Gesundheit. Seit 2014 stv. Vorsitzende des Vorstands im Kreisverband f.d. Region Osnabrück, seit 2018 stellv. Vorsitzende im Präsidium ebd. Seit 2016 zudem im Bezirksvorstand der AWO Weser-Ems, seit 2017 Vorsitzende Fachausschuss Kinder, Jugend und Familie – und im März 2024 von den Delegierten der Bezirkskonferenz einstimmig zur Präsidiumsvorsitzenden im AWO Bezirksverband Weser-Ems gewählt.

Der AWO Bezirksverband Weser-Ems ...

... bietet mit seinen weit über 4100 Mitarbeitenden zwischen Nordsee und Osnabrücker Land soziale Dienstleistungen in über 80 Einrichtungen rund um Pflege, Kinderbetreuung, psychosoziale Teilhabe und Beratung an. Als politischer Verband vertritt dieser die Interessen der Menschen in der Region und setzt sich für eine demokratische und gerechte Gesellschaft ein.

Die Arbeiterwohlfahrt ...

...gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege. Bundesweit wirken in ihr über 300.000 Mitglieder, mehr als 72.000 ehrenamtlich Engagierte und 242.000 hauptamtliche Mitarbeiter*innen, um in unserer Gesellschaft bei der Bewältigung sozialer Probleme und Aufgaben mitzuwirken und den demokratischen, sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen.

powered by webEdition CMS