Alle Wohnangebote der AWO Trialog Weser-Ems werden umstrukturiert / Teilhabe soll quantitativ und qualitativ messbar gemacht werden
WESER-EMS. Rund 28 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind in jedem Jahr von einer psychischen Erkrankung betroffen. Unabhängig von den tatsächlichen Auswirkungen, der Intensität und der Dauer dieser Erkrankung, einte sie bislang zumeist die fehlende gesellschaftliche Teilhabe, auch in der Begleitung der Eingliederungshilfe. Mit ihrem auf fünf Jahre angelegten Projekt „Teilhabe gestalten" hat die AWO Weser-Ems Trialog GmbH nun bereits wichtige Leitplanken geschaffen. Ziel ist es, alle Wohnangebote umzustrukturieren.
Brückenfeste eignen sich bekanntlich gut für eine erste Bilanzierung. In Rastede, wo Einrichtungsleitungen, Mitarbeitende, Klientinnen und Klienten wie auch wissenschaftliche Begleiterinnen regelmäßig in Workshops zusammenkommen, war's jedoch eine von vielen Zwischenanalysen. „Wir stellen uns dauerhaft auf den Prüfstand – sowohl in großer Expertise-Runde, wie auch im kleinen Austausch mit den Beteiligten", sagt Projektkoordinatorin Anna Dierks. „Wichtigstes Ergebnis unseres jüngsten Workshops ist, dass wir nun Teilhabe sicht- und messbar machen können, dies nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ."
Doch wie misst man Teilhabe, insbesondere vor dem Hintergrund ganz unterschiedlicher Wohnformen und individueller Rahmenbedingungen im Portfolio der Trialog? Das Projektteam hat für jeden Bereich, jedes Handlungsfeld innerhalb der Einrichtungen Kriterien und abgestufte Bewertungsmöglichkeiten entwickelt, aus denen weitere Maßnahmen und Zuständigkeiten abgeleitet werden. Dabei handelt es sich um konkret beobachtbare Situationen, die jeweils für sich analysiert werden können. „Vor drei Jahren war dies noch undenkbar – heute sind wir so weit, dass alle Einrichtungen mit diesen Instrumenten arbeiten wollen, das bringt unsere Klientinnen wie Klienten und unser Projekt deutlich voran", so Tatjana Borejko, Referentin für Soziale Teilhabe bei der AWO Weser-Ems, „es wird zu einem echten Selbstläufer".
Fester Bestandteil der Gremien
Theoretische Modelle werden also nicht einfach umgesetzt und schablonenartig über Einrichtungen und Menschen gelegt. „Nein, ein Top-down-Verfahren – also in der Leitung festgelegte Bestimmungen, die hierarchisch nach unten weitergegeben werden – empfinden wir nicht als hilfreich", so Borejko, „ein Bottom-up hingegen ist nachhaltiger, da sich eine grundsätzliche Haltung entwickelt und intensiviert". Und so werden nun Erfahrungswerte, Bedürfnisse wie daraus resultierende Bedarfe angepasst und vor Ort sogleich erprobt, ob und wie diese dann Leistungsberechtigte auf dem Weg zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohn- und Sozialraum tatsächlich weiterbringen.
Wichtig zu wissen: Die Klientinnen und Klienten sind in diesem Prozess nicht etwa bloße Projektionsfläche, sondern aktiv eingebunden und fester Teil der Gremienstruktur. Sie bestimmen darin den Weg als Expert*innen im Austausch und eigener Sache mit. Dabei handelt es sich beispielsweise um Bewerbungsgespräche zur Belegschaft, um bauliche Aktivitäten in und an der Einrichtung, um Terminpläne, kurz: um alles, was die Klient*innen direkt oder indirekt und damit auch das gesamte Umfeld betrifft. Dieser Weg scheint nun im Grundverständnis aller Einrichtungen fest verankert – „und ist ein immenser Fortschritt", wie Tatjana Borejko weiß.
Nach anfänglichen Unsicherheiten und hier wie dort vielleicht auch etwas Scheu vor Kritik und Wandel, zeigt sich in den Projektteams nun Offenheit für Neues, nahezu müheloses Netzwerken und eine produktive Atmosphäre, in der die beteiligten Klient*innen als vollwertige Mitglieder keine Angst mehr vor kritischen Bewertungen, sondern das Ziel klar vor Augen haben. Noch bis 2026 wird das Projekt „Teilhabe gestalten" gefördert. Dann sollen die neuen Grundsätze bestenfalls fest verwurzelt und die Trialog-Einrichtungen entsprechend umstrukturiert sein. So, dass auch alle Klient*innen selbstbestimmt eine vollwertige Teilhabe am Leben in und außerhalb der Einrichtungen erfahren.
WEITERE INFORMATIONEN ZUM THEMA
„Teilhabe gestalten" ...
... ist ein systematisch, langfristiger Prozess der Veränderung und Weiterentwicklung in einer Einrichtung bzw. der gesamten Organisation unter größtmöglicher Beteiligung aller davon Betroffenen. Dieser ist ganzheitlich und nachhaltig ausgerichtet und schließt die Veränderung der Organisationskultur und des individuellen Verhaltens von Führungskräften, Mitarbeiter*innen und Klient*innen ein.
Weitere Informationen unter https://www.awo-ol.de/Sucht-Psychiatrie/
Der AWO Bezirksverband Weser-Ems ...
... bietet mit seinen weit über 4100 Mitarbeitenden zwischen Nordsee und Osnabrücker Land soziale Dienstleistungen in rund 80 Einrichtungen rund um Pflege, Kinderbetreuung, psychosoziale Teilhabe und Beratung an. Als politischer Verband vertritt dieser die Interessen der Menschen in der Region und setzt sich für eine demokratische und gerechte Gesellschaft ein.
Die Arbeiterwohlfahrt ...
...gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege. Bundesweit wirken in ihr über 300.000 Mitglieder, mehr als 72.000 ehrenamtlich Engagierte und 242.000 hauptamtliche Mitarbeiter*innen, um in unserer Gesellschaft bei der Bewältigung sozialer Probleme und Aufgaben mitzuwirken und den demokratischen, sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen.