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Unterstützung für pflegende Angehörige bedeutet Stütze fürs fragile Gesamtsystem


02. Oktober 2024

Europäischer Tag der Pflegenden Angehörigen am 6. Oktober / AWO fordert mehr Familienpflegezeit und Familienpflegegeld

WESER-EMS. Die Krise im Sozialen – darin knapper werdende öffentliche Investitionen und Anerkennung ohne zählbaren Effekt, darin aber auch die stete Wechselwirkung aus Personalnot, fehlenden Sicherheiten bei gleichsam steigenden Kosten – ist zugleich eine Krise für die Familie. Dies gilt insbesondere für pflegende Angehörige, die aufgrund von wegbrechenden Leitplanken immer häufiger vor gewaltige Herausforderungen gestellt werden.

Über sechseinhalb Millionen Menschen in Deutschland pflegen laut Bundesministerium für Gesundheit mehr oder minder intensiv einen oder mehrere Angehörige. Dies geschieht teils freiwillig, ist teils mangels Alternativen und der massiven Belastung des gesamten Systems aber auch zwingend nötig. Die Pflege von Angehörigen ist nicht nur physisch, sondern zumeist auch mental und emotional eine enorme Herausforderung – vor allem dann, wenn die Pflegebedürftigen dementiell erkrankt sind.

Dabei sieht der 2021 geschlossene Koalitionsvertrag vor, eben jene Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu verbessern. Zu den Optionen zählen unter anderem Lohnersatzleistungen im Falle pflegebedingter Auszeiten, auch die Ausweitung und Flexibilisierung der Familienpflegezeit. Allesamt Möglichkeiten, die Belastung erwerbstätiger pflegender Angehöriger finanziell und psychisch zu mildern. Mehr noch: Unterstützung hier bedeutet zugleich Stütze für das fragile Gesamtsystem. Thore Wintermann, Vorstand Verband und Politik im AWO Bezirksverband Weser-Ems: „Ohne das Soziale könnte niemand entspannt und sicher mit einem guten Gefühl zur Arbeit gehen – wenn das Kind nicht ordentlich betreut ist, wenn die Eltern nicht gut gepflegt sind oder wenn Familienangehörige vielleicht nicht gut beraten sind. Dann kann der Arbeitsmarkt auch nicht mehr funktionieren." Wintermann warnt davor, dass das gesamte System hier in eine immer bedrohlichere Spirale zu rutschen droht.

Dabei sind pflegende Angehörige – zumeist Frauen – eine tragende Säule der pflegerischen Versorgung in Deutschland: Ohne sie würde das Pflegesystem unmittelbar zusammenbrechen. Auch europaweit werden viele Menschen zu Hause von ihren meist weiblichen Angehörigen gepflegt. Pflegende Angehörige sind dabei auch in Deutschland häufig besonderen und zum Teil existenziellen Belastungen ausgesetzt und von Armut bedroht, ohne dass ihre geleistete Care-Arbeit im Alltag oder wenigstens im Rentensystem eine angemessene Anerkennung fänden.

Und hier schließt sich dann auch rasch der Kreis zum gesellschaftlichen Grundverständnis: „Wenn das Gefühl der Gemeinschaft in der Gesellschaft abnimmt und wenn es für Diejenigen, die ein soziales Problem haben - sei es Pflegebedürftigkeit, Kinderbetreuung, Sprach- und Sprechprobleme, Nöte etc. - keine wohnortnahe und gute Versorgung gibt, verlieren diese Menschen das Vertrauen in dieses System als Ganzes", so Thore Wintermann, und weiter: „Wenn es uns nicht gelingt als politisches System, als Wohlfahrtssystem, den Menschen zu zeigen, dass es sich lohnt, in so einem System zu leben, dann wenden sie sich denjenigen zu, die vermeintlich einfache Antworten haben."
Welche Folgen dies für unsere Demokratie haben kann, zeigten zuletzt die Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg.

WEITERE INFORMATIONEN ZUM THEMA

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2021 ...
... heißt es auf Seite 81: „Wir entwickeln die Pflegezeit und Familienpflegezeitgesetze weiter und ermöglichen pflegenden Angehörigen und Nahestehenden mehr Zeitsouveränität, auch durch eine Lohnersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten." Ergänzend: 2022 hat der unabhängige Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ein konkretes Modell vorgelegt und Handlungsempfehlungen veröffentlicht, die Wege zur Verbesserung der Situation erwerbstätiger pflegender Angehöriger aufzeigen. Bis heute ist dazu allerdings nichts passiert. Laut Bundesministerium für Gesundheit werden im Jahr 2050 schätzungsweise circa sechs Millionen Menschen pflegebedürftig sein.

Der AWO Bezirksverband Weser-Ems ...
... bietet mit seinen weit über 4100 Mitarbeitenden zwischen Nordsee und Osnabrücker Land soziale Dienstleistungen in rund 80 Einrichtungen rund um Pflege, Kinderbetreuung, psychosoziale Teilhabe und Beratung an. Als politischer Verband vertritt dieser die Interessen der Menschen in der Region und setzt sich für eine demokratische und gerechte Gesellschaft ein.

Die Arbeiterwohlfahrt ...
...gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege. Bundesweit wirken in ihr über 300.000 Mitglieder, mehr als 72.000 ehrenamtlich Engagierte und 242.000 hauptamtliche Mitarbeiter*innen, um in unserer Gesellschaft bei der Bewältigung sozialer Probleme und Aufgaben mitzuwirken und den demokratischen, sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen.

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