AWO: Treuhandstiftung ermöglicht Anschaffung zur Ergänzung des therapeutischen Angebots
NORDENHAM. Schulschafe, Besuchshunde oder auch mal ein Lama zum Spaziergang: Tiere sind bei kognitiven, psychischen oder seelischen Einschränkungen von Menschen oftmals echte „Türöffner", dienen aber auch deren innerer Entlastung und Beruhigung. Aus diesem Grund werden sie entsprechend häufig und gern in Therapie wie Betreuung eingesetzt. Im AWO Altenwohnzentrum Nordenham kommt nun auch noch eine Robbe dazu. Und die ist nicht nur besonders wertig, sondern auch überaus wertvoll im Austausch mit Bewohner*innen.
„Süßer", „Kleiner", „Robbi" oder einfach „Paro" – ganz gleich, wie die kleine Robbe auch gerufen wird, sie reagiert. Selbst ein „Du flauschiges Ding" sorgt dafür, dass der Roboter sanft den Kopf dreht, die Augen öffnet und ein wohliges Robben-Seufzen zurückwirft. Kurzum: Wer einmal mit der Robbirobbe in Kontakt tritt, um den ist's sogleich geschehen.
„Da bist du ja! Na, hast Du mich vermisst?", ruft Elfriede Reese zur Tür, als Jeannette Miegel hereintritt. Der freudige Ausruf gilt allerdings nicht der Pflegedienstleitung (PDL) im AWZ Nordenham, sondern ihrem drei Kilo schweren Mitbringsel. Mit eben dieser Roboterrobbe hat sich die immerhin 96-jährige Reese bereits angefreundet, schon am Vortag hatte sie nach knapp zweistündiger Intensiv-Streichelkur schwere Beine und lahme Finger. Vom Hochleistungs-Kuscheln können beide nicht genug bekommen, „ich wollte dann aber auch irgendwann ins Bett", sagt's und kümmert sich wieder um ihren flauschigen Kümmerer. Natürlich soll und wird die Robbe keine Pflegekraft ersetzen, keine Minute des persönlichen Austauschs einsparen. „Im Gegenteil", sagt Einrichtungsleiter Stefan Seidl, „sie hilft vielmehr dabei, die Kommunikation wiederaufzunehmen und neue Kontakte unter den Bewohnerinnen und Bewohnern zu knüpfen."
Der Einsatz einer solchen assistiven Technologie war schon lange Wunsch – und das nicht nur hier. Allerdings sind die Anschaffungskosten beträchtlich und fallen angesichts vieler weiterer Herausforderungen in der Pflege damit zumeist eher unter den Posten Sonderwünsche. Dass die Treuhandstiftung „Pflegeeinrichtungen Weser-Ems" nun über „JaWir", den Regional-Verbund für private Stiftungen, diesen Weihnachtswunsch erfüllt hat, ist für Seidl und Co ein absoluter Glücksfall. „Wir haben mit Tierbesuchen in unserer Einrichtung sehr gute Erfahrungen gemacht – aber nicht jeder Mensch reagiert gleich auf Hund und Katze, manchmal ist der Respekt vor ihnen auch zu groß. Bei der Robbe gibt es jedoch keine negativen Vorerfahrungen, außerdem ist sie sehr pflegeleicht und passt sich den Bedarfen ganz individuell an." In jedem Fall wirkt sie aber beruhigend und mildernd auf die Person ein, die sich gerade mit ihr beschäftigt.
Hilko Schütte, Vorstand der JaWir-Stiftung, und Geschäftsführerin Meike Timmermann konnten sich am Donnerstag (12.12.) von der besonderen Wirkung und dem sofortigen Mehrwert persönlich überzeugen – und sind regelrecht begeistert. Die Kostenübernahme entspricht ganz dem Anspruch der Treuhandstiftung, die im Jahr 2021 per Testament gegründet worden war. Eine ältere Dame, die lange Zeit in einer Pflegeeinrichtung wohnte, hatte damals den Wunsch, derartige Unterkünfte finanziell zu unterstützen und so speziell die Lebensqualität der Bewohner*innen zu erhöhen. Schütte dazu: „so eingebrachte Kapital ermöglicht es, jährlich den Stiftungszweck zu erfüllen", sagt er, „weitere Anträge nehmen wir als JaWir-Stiftung gerne entgegen!"
Von den bis zu 95 Bewohner*innen im Hause ist im Schnitt etwa ein Drittel dement und damit sicherlich für die Nutzung der Roboterrobbe prädestiniert. Aber auch bei „fitten Bewohnerinnen wie Bewohnern und selbst beim Personal wirkt Paro nachhaltig", so Seidl, „wir setzen hier in unserer Einrichtung an vielen Stellen auf Innovation – und dass dies lohnenswert ist, hat nach wenigen Tagen im Einsatz auch diese Anschaffung bereits eindrucksvoll gezeigt."
WEITERE INFORMATIONEN ZUM THEMA
Die Pflegerobbe Paro ...
... könnte man angesichts der insbesondere im vergangenen Jahr rasanten Roboter- und KI-Entwicklung für eine neuartige Erfindung halten. Tatsächlich wird die aus Japan (National Institute of Advanced Industrial Science and Technology AIST, 2004) stammende Erfindung schon seit zwei Jahrzehnten in Pflegeeinrichtungen eingesetzt. Dies aber nur vereinzelt und nicht flächendeckend, was wohl insbesondere in ihrem Anschaffungspreis (hoher vierstelliger Bereich, etwa 8000 Euro) begründet ist. Derer etwa 40 sind in Deutschland im Einsatz. Schon 2011 hatte die Jade Hochschule dieser „assistiven Technologie" eine einerseits beruhigende, andererseits aber auch „öffnende" Wirkung vor allem bei Menschen mit Demenz bescheinigt. Der Robbenroboter reagiert auf äußere Einflüsse wie Berührungen, Licht oder Stimmen – und er lernt. Bis zu 50 Stimmen soll er unterscheiden und Namen erkennen können. Letzteres hilft dabei, sich auf die handelnden Personen besser einzustellen. Augen (und Lider), Kopf, Flossen und Schwanz sind beweglich, Robbengeräusche werden realistisch imitiert. Aufgrund all dieser Fähigkeiten erzeugt Paro nicht nur eine emotionale Bindung, sondern hat auch eine beruhigende Wirkung auf die Beteiligten. Ganz so, wie eine tiergestützte Therapie zu wirken vermag.
Rahmendaten
Modell: Sattelrobbenwelpe
Größe/Gewicht: 57 Zentimeter lang / 2,7 Kilogramm
Sensoren: Rundum-Oberflächenkontakt, Temperatursensor, Schnurrhaar-Sensor, Haltungssensor, räumliche Erfassung, Mikrofone
Energie: Wiederaufladbare Nickel-Wasserstoff-Batterie
Fell: Synthetik, cremefarben, antibakteriell
Fähigkeiten: Reaktion auf verschiedene Reize und auch Stimmung, Tagesrhythmus: Morgen-Mittag-Nacht, tierisch-mimisches Verhalten, Lernfähigkeit: u.a. an Vorlieben der Besitzer*innen anpassen, neue Vornamen erkennen.
Hintergrund: Das AIST hat 1993 mit der Forschung und Entwicklung tierähnlicher Roboter begonnen, da es damit rechnete, dass die „Zahl der Pflegebedürftigkeitsfälle steigt und gesellschaftliche Kosten in die Höhe steigen", wie es damals vom Unternehmen hieß. Das Modell einer Robbe konnte dabei gesellschaftlich leichter akzeptiert werden, „ohne dass seltsame Gefühle über den Unterschied von Tier und Roboter hervorgerufen werden, da im täglichen Leben im Gegensatz zu Katzen und Hunden kein unmittelbarer Kontakt besteht", so das AIST.
Tiere in AWO Einrichtungen ...
... sind heuer gern gesehen - Besuchstiere sorgen bei den Bewohner*innen für glückliche Momente und ein insgesamt gutes Gefühl, aber auch für neue Kontakte und Folgegespräche. Im Wardenburger Wohnpark kehren 14-tägig Mitglieder des „Teckelklubs Oldenburg" ein und begeistern dort mit ihren Dackeln. Im Haus Heidmühle Schortens gibt es gar einen Haushund, der aktuell zum Therapiehund ausgebildet wird, schon jetzt aber dauerhaft tolle Momente fördert. Abwechslung bringen auch im Wohnpark Wiesmoor zwei Haus-Katzen. Und auch hier in Nordenham gibt es bereits eine Kooperation zwischen Altenwohnzentrum und dem Besuchsdienst der Malteser Wesermarsch zur kurzzeitigen, aber regelmäßigen Einzelbetreuung von Bewohner*innen, die das auch wünschen. Apropos: Beide Seiten – Tiere wie Menschen - können sich zurückziehen, wenn sie es wollen; es gibt keinen erzwungenen Austausch. Mehr Infos: www.awo-ol.de
JAWIR ...
... ist die „Jade Wirtschaftsraum Regionalstiftung". Der Regional-Verbund für private Stiftungen, unter dessen Dach sich mittlerweile über 30 Treuhand-Stiftungen befinden, wird allein in diesem Jahr mehr als 26.000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen in der Wesermarsch als Fördergelder ausschütten. Bei Interesse an einer Zustiftung oder einer Stiftungsgründung gibt es weitere Informationen auf der Website der JaWir-Stiftung unter www.jawir.de
Der AWO Bezirksverband Weser-Ems ...
... bietet mit seinen weit über 4100 Mitarbeitenden zwischen Nordsee und Osnabrücker Land soziale Dienstleistungen in rund 80 Einrichtungen rund um Pflege, Kinderbetreuung, psychosoziale Teilhabe und Beratung an. Als politischer Verband vertritt dieser die Interessen der Menschen in der Region und setzt sich für eine demokratische und gerechte Gesellschaft ein. Beteiligungs- & Spendenmöglichkeit: https://www.awo-ol.de/Aktuelles-Presse/Spenden/
Die Arbeiterwohlfahrt ...
...gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege. Bundesweit wirken in ihr über 300.000 Mitglieder, mehr als 72.000 ehrenamtlich Engagierte und 242.000 hauptamtliche Mitarbeiter*innen, um in unserer Gesellschaft bei der Bewältigung sozialer Probleme und Aufgaben mitzuwirken und den demokratischen, sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen.