Steter Trialog mit Betroffenen und Angehörigen / Dienst am und für Menschen nach AWO Grundsätzen
Aus dem Tritt geraten, den inneren Kompass verlieren, Krisen nicht standhalten können – wenn das Leben taumelt, bedarf es nicht nur privaten Halts, sondern oftmals auch externer Unterstützung. Die Wohnanlage Günter Storck – Schlichthorst in Merzen/Engelern setzt Betroffenen seit nunmehr 50 Jahren individuelle Leitplanken, damit diese mit aller nötigen Hilfe zurück in die ganz eigene Spur finden, mindestens aber gut und besser mit allen inneren Umbrüchen leben können.
„Psychische Probleme haben in der Gesellschaft noch immer einen schweren Stand, auch wenn wir langsam erste Erfolge insbesondere im offeneren Umgang Betroffener sehen", sagt Janne Koch, Prokuristin der hier federführenden AWO Trialog Weser-Ems, „Angebote wie diese Wohnanlage sind dabei enorm wertvoll und tragen zu einem größeren Verständnis wie auch mehr Akzeptanz in der Bevölkerung bei – für etwas, das tatsächlich jedem Menschen irgendwann ganz direkt oder zumindest im nahen Umfeld widerfahren kann."
Fokus auf Person und Teilhabe schließt sich nicht aus
129 Plätze stehen auf dem früheren Rittergut aktuell zur Verfügung, in Einzel- und Doppelzimmern finden so Betroffene seit Jahrzehnten mit multiprofessioneller Unterstützung einen Platz zu Erholung, Regeneration und vielleicht auch Neustart. Alf Börsch, der die Einrichtung gemeinsam mit Thomas Bokeloh leitet, hat bereits vor zehn Jahren bedeutende konzeptionelle Anpassungen in der Struktur begleitet. Mehr Einzelzimmer, personenzentrierte Planung, Teilhabeprojekte – dabei auch zahlreiche Kooperationen mit der Gemeinde und den Vereinen vor Ort geknüpft.
„Die soziale Teilhabe und ein intaktes, verständnisvolles Umfeld sind ein mitentscheidender Faktor für unsere Arbeit, daher freuen wir uns über die stete Unterstützung aus der Bevölkerung – wir sind hier gewissermaßen ein Dorf im Dorf", sagt Börsch. Schützenvereine, Kegelrunden, Clubs und Freundeskreise – sie alle nutzen das hiesige Gelände nicht nur für eigene Veranstaltungen und Festivitäten, sondern beziehen dabei die Klientinnen und Klienten der Anlage konsequent mit ein. Andere gestalten das nahe Umfeld proaktiv mit, bauen hier mal binnen 72 Stunden eine Boule-Bahn (so via Aktion des BDKJ) oder legen dort einen Mini-Streichelzoo (Freundeskreis Schlichthorst) an.
Kegelbahnen, eine Sporthalle, Insektenblühfelder, Terrassen und die Gemeinschaftsbereiche dienen der weiteren Zerstreuung und gleichsam Fokussierung. Nutzbar je nach persönlicher Vorliebe und akutem Bedarf.
Wichtige Tagesstrukturen
Gutfühliges auf der einen Seite, die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung auf der anderen Seite: Das Konzept der AWO Trialog Wohnanlage sieht die Befähigung der hier Lebenden zur (Wieder-) Teilhabe am sozialen und auch Arbeitsleben vor. Der Schaffung und Ausgestaltung von Tagesstrukturen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu; in gleich fünf Bereichen im und am Schloss können Kenntnisse und Fähigkeiten erworben und verstetigt werden. Dazu gehören die Landschaftspflege und eine Holzwerkstatt, aber auch die Module Recycling und Montage, die Mitarbeit in der Wäscherei sowie weitere Aufgaben im Wohnbereich.
„Die hiesige Arbeit hilft dabei, Selbstvertrauen wiederzuerlangen und sich behutsam weiterzuentwickeln", so Werkstattleiter Jens Dieckhoff, „unser aller Ziel ist es, den Klientinnen und Klienten ein Höchstmaß an Selbstständigkeit zu vermitteln." Unser aller – das sind mehr als 70 Mitarbeitende in ganz unterschiedlichen Berufsfeldern. Von der Diätassistenz und Alten- wie Gesundheitspflege über Hauswirtschaft, Sozialpädagogik, Verwaltung und (Heil-) Erziehung bis hin zu handwerklichen Grundausbildungen sind zahlreiche Tätigkeitsgebiete vertreten.
Neubau in Planung
Trotz und vielleicht auch aufgrund der jahrzehntelang erfolgreichen Arbeit wird den aktuellen Entwicklungen stets Rechnung getragen, Konzepte wie Rahmenbedingungen werden entsprechend angepasst. So hat die AWO Weser-Ems jüngst einen Neubau der Wohnanlage konzipiert, damit Wohnen und Fachleistungen voneinander getrennt werden, die Klientinnen und Klienten zudem allesamt barrierefrei in insgesamt 99 Appartements leben können. Die Umsetzung soll binnen vier Jahren erfolgen. Die bisherigen und nicht mehr zu modernisierenden Wohngebäude werden im Anschluss abgerissen, Werkstatt und Sporthalle bleiben jedoch erhalten, das Schloss wird saniert und hier mit Büros ausgestattet.
„Wohnen macht etwas mit den Menschen", sagt Alf Börsch und verweist auf die große Bedeutung eines intakten Rückzugsortes: „Eine Wohnanlage kann auch Heimat sein. Unsere Klientinnen und Klienten, die Altersspanne reicht von Anfang 20 bis Ende 70, leben im Mittel etwa zehn Jahre hier – mit dem Neubau verbessern wir die Lebensbedingungen der Menschen signifikant."
Dienst am und für Menschen nach AWO-Grundsätzen
„Wir wollen im Sinne der bestmöglichen Teilhabe, Stütze und Wiedereingliederung eine Rundum-Versorgung für alle Eventualitäten bieten und sind unseren Mitarbeitenden für den aufopferungsvollen Einsatz sehr dankbar", sagt Christoph Fehringer, Kaufmännischer Vorstand des AWO Bezirksverbandes Weser-Ems und Geschäftsführer der Betreiberin AWO Trialog Weser-Ems GmbH, „sie sind der Grund dafür, dass nun schon seit so vielen Jahrzehnten Dienst am und für Menschen ganz im Sinne der AWO Grundsätze geleistet werden kann – also unter anderem Hilfe zur Selbsthilfe bietend, gemeinnützig, sozial nachhaltig und dies eben auch in regionaler Verantwortung." Wichtig zur Einordnung: In Schlichthorst wird nicht therapiert, sondern begleitet, aufgefangen und vermittelnd beraten – also werden Assistenzleistungen angeboten.
Weitere Informationen – Voraussetzungen zum Einzug und der nötigen psychiatrischen Diagnose, etwaige Wartezeiten und das auch für Unternehmen spannende Angebot der hiesigen Werkstattarbeit – können telefonisch unter (05901) 3 02 60 abgefragt werden.
Öffentliches Sommerfest in der Wohnanlage
Am 3. September 2023 (Sonntag) findet in und an der Wohnanlage Günter Storck - Schlichthorst ein öffentliches Sommerfest anlässlich der 50-Jahres-Feierlichkeiten statt. Zwischen 11 und 18 Uhr sind vor Ort an der Schloßallee 1 in Merzen Kinderkarussell und Hüpfburg aufgebaut, der Shantychor Andervenne wird dann den Frühschoppen ausgestalten. Es gibt einen Kreativmarkt, aber auch den klassischen „Blick hinter die Kulissen". Für den weiteren musikalischen Rahmen zeichnet die Blaskapelle „Sound Äxpress Anten" verantwortlich.
Zum Hintergrund:
- Trialog bedeutet „Begegnung auf Augenhöhe" – und das nicht allein zwischen professionell Helfenden und Klient*innen, sondern auch deren Angehörigen. Gemeinsam wird ein stützendes soziales Netzwerk gebildet, das den jeweiligen Bedarf passgenau abdecken kann. Der Austausch aller gleichberechtigt Beteiligten ermöglicht hier in der AWO Trialog Wohnanlage in schwierigen persönlichen Lebensphasen Selbstbestimmung und Akzeptanz. Menschen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen fühlen sich so gesehen und gehört, als Expert*Innen in eigener Sache verstanden. Gemeinsam werden deren Stärken und Fähigkeiten in den Vordergrund gestellt, Kompetenzen gefördert und ihnen so viel Verantwortung wie möglich belassen oder übergeben. Die Mitarbeitenden der AWO Trialog Weser-Ems erbringen dabei bedarfsgerechte Assistenzleistungen im täglichen Leben.
- Die Wohnanlage Günter Storck – Schlichthorst ist ein ehemaliges Gut der Familie von Schorlemer und wurde 1973 noch in privater Trägerschaft eröffnet. Seit 1988, also seit 35 Jahren, befindet sich das Angebot mit vor allem sozialpsychiatrischer Ausrichtung in Trägerschaft der AWO. Seit dem Jahr 2010 trägt die Wohnanlage den Namen des ersten AWO Einrichtungsleiters Günter Storck.
- Psychische Erkrankungen drücken sich auf vielfältige Weise aus, treten entsprechend in unterschiedlichen Formen auf. Dazu gehören unter anderem Verhaltensstörungen wie soziale Abkapselung oder Aggressionen, Angst- und Zwangsstörungen, aber auch affektive Störungen mit deutlich geringem Selbstwertgefühl oder schwerwiegende Depressionen. Auch somatisch auffällige Störungen ohne organische Grundlage und psychotische Episoden fallen darunter. Letztere bilden das Gros der hier vermerkten Erkrankungen.